Wir brechen kurz vor 9 Uhr auf. Es ist die letzte Etappe und wir würden uns so sehr wünschen, noch etwas segeln zu können. Aber nein. „Motorsegeln“ heißt die Devise. Alle Segel gesetzt. Hart am Wind. Und wir schaffen zwischen 4,5 und 6 Knoten, je nachdem, ob der wahre Wind bei 10 Knoten liegt oder eher wieder bei 5 Knoten.
Bei meiner ersten Wache halte ich – dank eines sehr unterhaltsamen Buches – bis 1 Uhr früh durch. Dann übernimmt Dietmar bis 5 Uhr früh. Und wieder Wachwechsel.
Aber Dietmar kann sich nicht lange hinlegen. Kurz danach – im Morgengrauen- wecke ich ihn wieder auf.
Schon seit Stunden begleiten uns dunkle Wolken (in sicherer Entfernung) und Wetterleuchten. Jetzt aber dreht der Wind (wie üblich entgegen aller Vorhersagen) und die ganz dunklen Wolken stehen nahezu über uns.
Wir reffen umgehend ins dritte Reff. Förmlich in letzter Sekunde.
Innerhalb von wenigen Minuten haben wir nicht mehr „nutzlose“ 10 Knoten Wind von raumschot, sondern Regen und 41 Knoten Wind „auf die Nase“. Der Wind (oder besser: der Gewittersturm) peitscht über das Wasser und uns den schweren Regen ins Gesicht – eine Mischung aus Süß- und Salzwasser.
Zur Sicherheit starten wir auch den Motor. Die Blitze sind immer wieder in unserer Nähe. (Und wie gut, dass wir noch Motoröl nachgefüllt haben).
Wir sind beide waschelnaß. Das Wasser steht in meinen Stiefeln. Wir fieren das Großsegel, können noch etwas mehr von der Genua einholen und versuchen abzulaufen. Mit dem Wind und mit der Welle – 180 Grad weg vom Kurs. Mehrmals krängt unsere Starship so stark, dass wir mit dem Baum fast das Wasser berühren.
Wir steuern von Hand, abwechselnd, während der andere frische und trockene Sachen anzieht. Das nasse Gewand können wir nur in die Dusche werfen. Dort türmt sich kurze Zeit später ein Haufen „Salzwasserkleidung“.
Sicht – wenige hundert Meter. Andere Boote – mehrere Fischerboote – in Entfernung von einigen Seemeilen. Wenigstens ist das kein Problem.
Aber das Bimini ist an mehreren Stellen gerissen. Einerseits die Halterung selbst auf Backbord, andererseits der Zipp an mehreren Stellen. Ich kann im ersten starken Wind das Bimini gerade noch einigermaßen sichern, aber kurz danach lassen wir den Autopilot steuern und müssen das Bimini zur Gänze wegrollen. Kein Bimini heißt noch eine Spur weniger Schutz.
Auch unsere große Österreichfahne hat sich losgerissen. Diese mit einer starken Leine an den Wanten zu sichern heißt „lauwarme Volldusche“. Es ist durch den Wind so kalt, dass das Wasser richtig warm erscheint. Die Welle genau im 45 Grad Winkel gegen die Backbordseite ergießt sich über mich.
Ipad – unsere Ersatznavigation – und Dietmars PC liegen im Backofen. Zur Sicherheit. Falls wir so unglücklich sind und uns ein Blitz trifft.
Die Kinder sind natürlich aufgewacht, liegen aber weiterhin in den Achterkabinen. Irgendwie verkeilt versuchen sie den Sturm „wegzuschlafen“. Was nicht wirklich geht, denn Gewitter sind schrecklich laut. Dietmar und ich können uns nur schreiend verständigen (die neongelben Kapuzen des Schwerwettergewandes halten nicht nur den Regen ab), immer wieder muss einer von uns tropfnass in den Salon, die Genuaschoten machen bei jeder Wende schrecklichen Krach.
Nach etwa einer halben Stunde schaffen wir es, wieder etwas höher zu laufen. Halbwind, mit gefiertem Großsegel.Immerhin ein wenig in die richtige Richtung.
Zwischendurch ist der Wind zweimal für ein paar Minuten ganz weg, dreht und die nächsten Böenwalze kommt auf uns zu. Wir denken schon, es geschafft zu haben, da dreht der Wind wieder und die nächste dunkelgraue Wolkenfront kommt auf uns zu. Wir wenden mehrmals, jeweils nur für 2 oder 3 Seemeilen, um den großen pink-farbenen Flecken auf dem Radarschirm zu entkommen.
41,4 Knoten Wind speichert unsere Windanzeige als „Tages-High“. Die Böen dazwischen kratzen am 45er.
Nach 4 Stunden haben wir es geschafft. Das Schlimmste ist vorbei. Ganze 4 Seemeilen gutgemachte Entfernung haben wir in dieser Zeit geschafft.
Wir reffen aus, segeln noch ein paar Stunden, dann nehmen wir die Segeln zur Gänze weg und legen die restlichen 10 Seemeilen unter Motor zurück. Weil vor uns über Barcelona (aber in Lee, nur, was heißt das schon?) noch einmal dunkelgraue Wolken auftauchen, füllen wir sogar noch einen Kanister Diesel nach (Premiere – nachtanken auf See). Nur kein Risiko eingehen.
Wir erreichen Port Ginesta – ohne noch einmal nass zu werden – am Nachmittag.