Die Windvorhersage für Montag bis Mittwoch ist gut. „Hellgrün“ bei Windy heißt 15-19 Knoten Wind. Wenn wir Glück haben, können wir den typischen Flautenzonen unterhalb des Stiefels ausweichen. Bei allen bisherigen Crossings mussten wir ja jeweils 10 Stunden unter Motor fahren, weil wenig Wind war.
Allerdings steht schon den ganzen Sonntag Schwell in die Bucht von Fiskardo. Das heißt, dass aus dem Norden hohe Wellen hereinziehen Weniger gut.
Mit diesem Wissen sind wir aber Montag in Früh nicht überrascht, dass wir beim Erreichen des Kaps schon ordentlich durchgeschaukelt werden. Die Wellen kommen aus Nordwesten und sind 3 Meter hoch. Der Wind kommt aus NNW mit 12-14 Knoten. Die Kombination in Summe ist ungut, weil wir nicht so hoch laufen können wie geplant, sondern der Welle wegen abfallen müssen.
Die ersten Stunden setzen mir zu. Mir ist erstmals flau im Magen.
Am frühen Nachmittag setzt dann mehr Wind ein. Zuerst 15 – 17 Knoten und Wellen mit bis zu 4 Metern Höhe und dann klettert die Windanzeige auf 20 Knoten wahrer Wind. Wir reffen das Großsegeln ins erste Reff. Kaum fertig, beschließen wir gleich das dritte Reff zu setzen. Die Windanzeige ist mittlerweile bei 25 Knoten wahrer Wind. Bei 27 Knoten nehmen wir auch ein wenig von der Genua weg, aber nur so viel, dass das Boot in Summe ausgewogen liegt, und wir ändern den Kurs abweichend vom geplanten Kurs, damit wir mit der Welle gut können. Zeitweise steuern wir eher nach Lybien als nach Sizilien.
Die erste Nacht segeln wir mit 20-22 Knoten, die Gischt der Wellen ergießt sich öfter ins Cockpit, es ist kalt und nass. So wirklich viel Schlaf bekommt keiner von uns beiden. Jede extra große Welle (alle 5-7 Minuten) versetzt dem Heck der Starship einen richtigen Schubs zur Seite, die Krängung ist bei jedem Schubser enorm.
Am besten sitzt man eingekeilt vor dem Niedergang. Das ist wind- und wassergeschützt und das Geschaukel kann einen nicht von der Bank werfen. Der zweitbeste Platz ist die leeseitige Cockpitbank, ganz nah an der Sprayhood. Alle anderen üblichen Sitzgelegenheiten garantieren Salzwasserdusche und viel Wind.
Was für ein Glück, dass ich Nudeln vorgekocht habe. Die kleine Portion Spiralen mit Gemüsesoße lässt sich in nur einem Topf wärmen. Alles andere wäre nicht machbar.
Zweimal funke ich mit entgegenkommenden Frachtern und lasse mir bestätigen, dass sie „the small sailing vessel“ sehen und den Kurs so legen, dass wir ohne Probleme und mit gehörigem Abstand aneinander vorbeikommen.
Erst im Morgengrauen nimmt der Wind ab, und die Wellen werden gemütlicher. Was für eine Erholung. Wir überlegen schon, wieder auszureffen.
Aber die Durchschnaufpause ist nur von kurzer Dauer. Mit Sonnenaufgang legt der Wind wieder auf 20 – 24 Knoten zu und die Wellenhöhe steigt auf 4 Meter, aber wenigsten die Wellenrichtig ist nun nicht mehr Nordwest, sondern deutlich nördlicher. Damit können wir wieder uns an die alte Kurslinie herantasten, von der wir schon 18 Seemeilen abgekommen sind.
Am späten Nachmittag nimmt der Wind dann ab, die Wellenhöhe sinkt. Wir reffen aus. Kurz befürchten wir, dass wir nun doch in ein Flautengebiet gesegelt sind, aber die Angst ist unbegründet. Der Wind dreht ein wenig, wird nordöstlicher und pendelt sich konstant auf 11 – 14 Knoten ein; die Wellen verschwinden wie durch Zauberhand. Wir sind knapp 100 Seemeilen von der Südspitze von Sizilien entfernt, direkt unter dem Absatz des Stiefels. Wir segeln mit 6 Knoten dahin. Das Boot ist ganz ruhig, schaukelt überhaupt nicht, es ist ganz leise, weder Wind noch Welle sind zu hören. Das genaue Gegenteil von der Nacht davor. Wir sind gar nicht so müde, schlafen ein wenig abwechselnd, aber genießen einfach dieses unerwartete Bilderbuchsegeln.
Um 9.00 in der Früh fällt der Anker in der Bucht bei der Isla de Corrienti.
290 Seemeilen, 51 Stunden, 5,7 Knoten Geschwindigkeit. Null Motorstunden.



03/08/2022 um 11:42
Gratulation zu all diesen so lebendig geschilderten Ereignissen und Erlebnissen die wunderbar und voll Wehmut an all die eigenen Seglererlebnisse erinnern.
Ich wünsche Euch noch weitere schöne Seglerjahre mit Freude und Spaß. Was wäre das Geschehen ohne Überraschungen vor allem wenn sie gemeistert sind.
Liebe Grüße
Rudi Wenisch